Montag, 31. August 2015

Der Weg ist das Ziel?!?!

Mit Joachim verbanden mich noch zwei Etappen. Nach unserem Diner auf der Terrasse, schlief ich trotz der ungewöhnlichen Situation wunderbar und Madame Marie verwöhnte uns mit einem vorzüglichen Frühstück. Ja, ja die Franzosen haben das Frühstück " neu" erfunden. Mit "Madleins de Liverdun" im Rucksack starteten wir in einen windig-sonnigen Tag und brauchten 1Stunde  (bzw.5 zusätzliche Kilometer), bis wir der Wegbeschreibung der Autorin folgen konnten. Dann liefen wir vorläufig richtig und jeder hing seinen Gedanken nach.

Der Beschilderung folgend liefen wir.... ja es ist kaum zu glauben... an einem Abzweig in die falsche Richtung. So kamen wir nach Jaillon, wo wir pausierten und unseren Irrtum erkannten. So kann man aus einer 21 km Etappe ganz schnell eine 27km Etappe machen. Wir fanden wieder auf den Weg und lernten, dass jeder Satz bis zu Ende gelesen werden sollte und nicht jeder Muschelpfeil die richtige Richtung angibt! Trotzdem waren wir schon zeitig in Toul und schauten uns die Kathedrale St. Etienne an. Mächtig beeindruckend! Ich sah ein Plakat, dass anzeigte, dass die Kathedrale 22Uhr angeleuchtet wird  (spectacle lumiere) und freute mich. Aber in der Info erfuhr ich, dass es nur Mittwochs bis Sonntags ist. Ich bin ein Tag zu früh, oh wie Schade.
Wir bekamen ein Zimmer vermittelt und als wir das Zimmer im Hotel Central aufsuchten, saß der Schock tief! Einfach- verwahrlost- lieblos- dreckig! Für 49.70€ ohne Frühstück!!! Ich ging nochmal zu dem jungen Mann am Tresen, um Handtücher, Toilettenpapier und einen Besen zu ordern, damit das Zimmer benutzbar wird.
Nach der täglichen Pilgerroutine  (waschen, duschen, Haare legen), ging es zum Essen. Die Auswahl war überschaubar und da es französisch sein sollte, gingen wir in eine Creperie und bestellten uns Galettes ( Eierkuchen aus Vollkornmehl) mit Käse, Tomate, Schinken und Spiegelei gefüllt. Dazu Salat und Radler. Uns ging es gut!
Am nächsten Morgen füllten wir unsere Vorräte bei Spar auf, kauften in der Boulangerie was zum Frühstück und setzen uns in eine Brasserie zum Abschiedskaffee. Joachim läuft nun nach Le Puy und ich in dünn besiedelte Regionen nach Vezelay.
Mein Ziel war nun Vacouleur, wo einst Jean D' Arc loszog, um in Chinon dem König Karl VII zum Sieg über die Engländer und zur Krone zu verhelfen.
Der Weg ging wieder über Felder und 7 km auf einem Forstweg durch den Wald. Ich genoss die Ruhe und den Schatten, denn die Sonne meinte es mit 31 Grad
wieder gut mit mir.

Inzwischen bin ich mutiger mit dem Sprechen und habe mir getraut eine alte Frau um Leitungswasser zu bitten. Sie hat mich sofort verstanden und mir " Bon Courage" gewünscht. Inzwischen weiß ich, dass das der französischen Pilgergruß ist. Beim ersten Mal dachte ich die Frau gratuliert mit zum Mut so schlecht französisch öffentlich zu sprechen! Ja so kann ich mich irren. In Vacouleur war ich viel zu früh und so genoss ich ein Radler vor der Bar, buchte mir ein Zimmer im Office de Tourisme für den nächsten Tag und kaufte mir im Intermarche etwas für das Abendbrot und das Frühstück, denn die Übernachtung frisst mein Limit. Dafür ist das Zimmer sehr einladend und sauber.Daher ist Dinner auf dem Zimmer angesagt.
Als ich im Hotel eincheckte fragte mich der Chef ( er spricht deutsch)von wo aus Deutschland ich komme. Görlitz sagte ihm nichts und so erklärte ich ca.120km östlich von Dresden. Darauf er: Ah aus dem Osten, dann sind sie ein "Ossi". Oh ja dass bin ich! Aber dass es sich bis hierher festgesetzt hat, erstaunt mich schon!
In Vacouleur gibt es auch ein spectacle mit Jean D'Arc, aber nur Freitag und Samstag! Also auch wieder nicht, aber ich finde bestimmt noch eines.
Mit mir gleichzeitig kam ein "Marathon-mann" und seine Radbegleiterin mit einem voll beladenen Fahrrad an. Ich bewunderte den schweißgebadeten Läufer und vorallen die Radlerin und schnell merkte ich, dass ich deutsch sprechen kann.
Es sind Silke und Volker aus Kiel, auf ihrer Spendenpilgertour. Von ihnen hatte ich vor langer Zeit mal gelesen und war beeindruckt. Nun treffe ich sie in Frankreich und führe ein interessantes Gespräch mit Silke. Wen es interessiert, der kann unter: www. pilgerlauf.de die ganze Sache verfolgen und über Spenden für krebskranke Kinder und Jugendliche freuen sie sich natürlich auch.
Als ich auf mein Zimmer kam, hatte ich ein Problem. Meine Socken, die ich zum trocken auf die Fensterbrüstung gelegt habe, waren vom Winde verweht! Ich suchte, fand eine innen, zwei draußen auf dem Fenstersims und die letzte lag auf dem Fenstersims des Zimmers unter mir. Also ging ich zum Chef des Hauses, bat um Hilfe und bekam meine Socke zurück. Glück gehabt!

Dann kam eine relativ kurze Etappe nach Gronderecourt-le-Chateau. Da ich das Zimmer ohne Frühstück gebucht hatte, gab es ein Orangensaft und Müsli mit Banane aus dem Blechpott.
So stand ich schon 7.30. Uhr in den Startlöchern und folgte dem Weg der Jean D'Arc aus Vaucoleurs heraus. Das Wetter konnte sich noch nicht entscheiden, ob Regen oder Sonne, aber es war schwül, wie in der Waschküche! Ich erfreute mich an einer herrlich blau- violett blühenden Wiese und erkannte, dass es eine hochwachsende Sorte Klee war. Dann ging es in einen lichten Wald, wo ich mal wieder Rehen begegnete. Da ich mich jetzt im dünnstbesiedelten Teil Frankreichs befinde (10 Einwohner pro Quadratkilometer) und der Weg unmarkiert ist, bedarf es voller Aufmerksamkeit und Wortverständniss für den Wanderführer. Dass mir nicht alles immer so klar ist, wie der Autorin, haben ja die gelaufenen Umwege bewiesen. Trotzdem schweift mein Blick ab und ich zähle 9 verschiedene Blühpflanzen am Wegesrand. Wahnsinn, aber halt, müßte ich nicht mal abbiegen. Tatsächlich habe ich keine Ahnung wie, weit ich gelaufen bin. Also zurück. Nochmal die schöne Wiese und Freude darüber und ich habe nichts verpasst! Na prima, da kann ich beruhigt zurück gehen und die Wiese nochmals betrachten."Und täglich grüßt die Wiese!"
So habe ich schon wieder ein paar Kilometer mehr. Inzwischen hatte ich den " geteilten" Himmel über mir. Rechts schwarz und Regenschwanger, links blau und sonnig. Mir wäre ein Nieselregen jetzt ganz willkommen.
Weil ich so früh los bin, bin ich viel zu schnell. In Geranvilliers ist alles zu, Kirche, Bürgermeisteramt, alles hat Ferien. Ich setzte mich an den Dorfbrunnen in die Blumenrabatte ( es gab keine Bank, nur eine schmutzige Bushaltestelle) und aß mein Picknick. Sehr lecker. Eine Französin ( ca.40) kommt vorbei und spricht mich freundlich an. Ich erkläre meine Sprachbarriere, aber es hindert sie nicht weiter zu schwatzen. Einiges verstehe ich. Also reden wir französisch und händisch und es ist ganz lustig. Sie meint ich würde am Ende meiner Reise perfekt sprechen, denn dass was ich sage, wäre tres bon! Na wenn das kein Ansporn ist. Ich packe den Rucksack und ziehe weiter. Die Wolken sind weg und die Mittagssonne prasselt auf mein Haupt. Der Weg führt durch Felder, die alle schon abgeerntet sind. Kommende Boten des Herbstes.
In Abainville finde ich eine offene, sehr schöne Kirche und halte nochmal innere Einkehr und singe ein " Danke".
Ich bin schon am frühen Nachmittag am Ziel und finde mein Zimmer. Das Haus ist groß und alt und ehrwürdig. Dunkles Holz dominiert und die Zimmer sind voll schöner, alter Möbel, nur die Tapeten schreien zum Himmel.Ich habe ein großes, braun- grünes Ranunkeldekor, was sicher einmal ( in den 70 igern) rosa war. Toilette und Salle de bain in rose über den Flur. Die alte Madame ist sehr eigen, aber schon wieder lustig. Sie fragt, ob ich noch einkaufen gehe. Als ich bejahe, bekomme ich einen Beutel, eine Geldbörse mit 10€ und die Rabattkarte vom Supermarkt. Dazu die Einkaufsliste! Hurra, mit 51 gehe ich nochmal mit "Muttiliste" einkaufen. Dass ist schon schräg!
Abends gehe ich mit Silke und Volker in das einzige Restaurant im Ort. Ab 19.30
Uhr gibt es erst etwas zu essen. Typisch französisch: Pizza oder Dönerteller. Ich nehme letzteren und bestelle ein großes Radler. Das Wort groß betone ich, da es bisher immer nur 0.25l ( Holger würde sagen: homöopathiesche Dosis) gab. Die Kellnerin kommt mit einem leeren 0,5 Glas raus und fragt nach. Ich bejahe und als es kommt, schauen die Stamm-kunden ziemlich entsetzt.

Dann endlich fängt es an zu regnen und ich hoffe es kühlt sich etwas ab.
ÜBRIGENS: Hier im Ort 'gibt es ein Pferde-Museum.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf, denn ich wagte mich an die längste Etappe des Weges, 37,7km durch karge Landschaften ohne Einkehr-möglichkeiten oder Läden am Weg. Dies bedeutet, dass mein Rucksack am Beginn der Tour ca. 18 kg wog, da ich 2,5l Getränke und etwas zu essen über den Tag mitschleppte!
Aber vorher gab es das wirklich 1. petit dejeuner! Kaffee, 1Croissant, Weißbrot, Magarine und eine Rhabarber-marmelade, welche mir nicht ganz koscher war. Also aß ich nur Magarine-
brot. Ich fragte nach dem Alter des Hauses und erfuhr, dass es von 1815 war. Es ist in 5. Generation in Familienbesitz und ihre Mutter hat schon Zimmer vermietet. Sie zeigt uns ( Silke und Volker sind dabei) alte Familienfotos und sagt, dass sie 80 Jahre alt ist. Sie bewirtschaftet das Haus allein.Respekt, denn es gibt wirklich viel zu tun. Der Frühstücksraum hat eine schöne Holzvertäfelung und einen großen Kamin. Der größte Teil der Einrichtung ist noch orginal und jedem Antiquitäten-händler würde das Herz rasen, wenn er das sehen würde.

Bei der Verabschiedung wurde sie dann ganz herzlich und riß meinen Hals zu sich runter und gab mir links und rechts ein Küßchen.
Ich lief los und hatte wieder ein Einstiegsproblem. Ich verfehlte den richtigen Weg und liess mich von den Franzosen beraten, verstand aber über die Brücke, statt vor der Brücke... es kommt wie es kommen muss: 1 Stunde später (5 km mehr) war ich auf dem richtigen Weg. Vom Himmel viel ein feiner Nieselregen und ich entschied mich für die Landstraße, da lassen sich vielleicht 2-3 km wieder einsparen und es ist nicht so matschig. Ich merkte, dass, wenn mich ein Auto in der Viertelstunde überholt, ich schon die Rushour erwischt habe. Hier ist wirklich nix los!
Ich kam gut voran und in Lumeville-en-Ornois sah ich meine erste öffentliche Waschanstalt ( was ich aber erst nach einem Telefonat mit Holger weiß, weil er es auf google sah) und dachte es ist eine Kneipp-Anlage. Im Wasser schwamm eine halb verweste  Ratte und in der Ecke lag ein toter Vogel! Kein schöner Ort, um zu verweilen.Also ging ich bis Chassey- Beaupre. In der Kirche fand ich ein trockenes Plätzchen und aß mein pain au chocolate. Ich fraß die Kilometer und pausierte nur noch kurz am Friefhof von Pansey, bevor ich die Landstraße verließ, um zum eigentlichen Weg zurück zukommen. Es ging nur nach Beschreibung wie: "laufen den Feldweg gerade aus bis zu einer Gabelung, dann links an einer wilden Deponie vorbei Richtung Westen..."
Bis Thonnance- les-Joinville hatte ich den richtigen Riecher und habe alle Unklarheiten klären können, aber dann kam eine Baustelle und somit eine Umleitung! Ich bin zur Kirche gekommen und dann musste ich fragen. Der Weg ging weiter und als ich wieder unsicher wurde, fragte ich einen Boulspieler nach dem Weg. Er geleitet mich über eine Brücke und zeigte mir den Weg nach links. Links ist nach meinem Führer richtig, aber den Radweg konnte ich nicht entdecken. Es kommt eine Schleuse und der Radweg- super! Dann kommt die erwähnte Brücke, aber der Bahnhof fehlt. Ich fragte einen Angler und erfuhr, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin! Joinville liegt 4 km in die entgegengesetzte Richtung. MERDE! Ich setzte mich auf die nächste Bank und aß mein croissant aux amonde, um mich zu beruhigen. Ich war inzwischen 38 km gelaufen. Was solls! Ab in die andere Richtung und rein nach Joinville! Ich finde das Office de Tourisme nicht, aber die Kirche. Innehalten und ruhig werden. Fragen wollte ich niemanden mehr, denn 44,1 km reichten. Ich telefonierte mit dem Pfarrer, aber er verstand mein Problem nicht und meine Nerven lagen blank und dann brach die Verbindung ab. Ich ging nochmals in die Kirche, um mich zu sammeln. Plan B musste her, also Bett suchen! Wie ich über eine Brücke ging, hörte ich meinen Namen. Silke winkte von einem Restaurant herüber und fragte wie es geht. Ich erzählte von meinem Dilemma und war ganz aufgelöst. Sie nahm mich in den Arm und erzählte, dass sie mir ein Zimmer reserviert haben und erklärte mir den Weg. Also noch ein paar Meter und ich stand vor einem bezaubernden Haus und es kam eine wundervolle Wirtin heraus. Valerie ist Schweizerin und spricht deutsch. Ich erzählte ihr von meinem Pech und sie führte mich in ein traumhaftes Zimmer. Ihr Haus ist aus dem 16. Jahrhundert. Liebevoll renoviert und eingerichtet. Am Ende eines solchen Tages ist das ein Geschenk. Davon gab es dann noch mehr. Silke schenkt mir Schokolade, weil ich so fertig war und Valerie Kuchen und einen Pfirsisch. Ich wollte nirgends mehr hin und habe alle Reste aus dem Rucksack aufgegessen. Nun kann die Nacht kommen.
 




Mittwoch, 26. August 2015

50 Tage- Was ist schon Zeit?

Diese Frage stelle ich mir ab und an, bei meiner Tagträumerei. Manchmal fühlt es sich an, als sei ich schon eine Ewigkeit weg, dabei sind es erst 50 Tage.
Die Uhrzeit ist für mich nur eine Frage des Startes und der Ankunft am Tag, dazwischen spielt sie keine Rolle und meine Armbanduhr trage ich schon lange nicht mehr am Handgelenk.
Ja und Wochentage? Die muss ich nachschauen. Sie haben an Bedeutung verloren! Schon merkwürdig.
Manchmal fühle ich mich " völlig aus der Zeit gefallen" und kann es nicht erklären.
Besonders wenn ich Autobahnen überquere! Da fühle ich mich wie eine
" aussterbende Spezie" oder mehr
wie von einem anderen Stern.
Aber eins ist sicher, ich habe jede Menge Zeit! Dass ist doch ein herrliches Gefühl. Mein Leben bietet mir jeden Tag eine Fülle von neuen Eindrücken, Möglichkeiten und Begegnungen und ich habe Zeit diese zu "erleben". ( Wort-wörtlich)
Ich habe nichts anderes vor als diese Eindrücke zu sammeln, zu genießen, für ein Bett und für mich und meinen Körper zu sorgen.
Mein Leben aus und mit dem Rucksack! Ich bin die Schildkröte, die ihr Haus auf dem Rücken trägt und langsam vorwärts, aber geduldig ans Ziel kommt. Mit Beppos Motto (der Straßenfeger aus Momo) laufe ich immer noch gut: "Du musst nur die Straße vor deinen Füßen sehen und nicht das Ende der Straße! Dann schaffst du es bis zum Ende."
Alles bekommt eine neue Bescheidenheit und das ist wunderbar.

Nun liegen die ersten Etappen hinter mir und die Gefühle fahren Achterbahn.
Nach meinem ersten Sprachversuchen war ich ja frohe Mutes, dass alles sich finden wird. Allerdings fand ich meine in Perl gekaufte Wanderkarte schon nach 10 km nicht mehr, die hatte ich im Office de Tourisme in Sierck-les-Bains liegen gelassen. Zurück laufen war die erste Idee, aber ein Anruf zeigte mir, dass keiner mehr da war. Also lief ich bis nach Sainte -Marguerite, wo ich ein wunderschönes, französisches Zimmer in einem Bauernhaus bezog. Die Wirtin, M. Bidon- Keller hörte meine einstudierten Sätze und sagte:" Perfekt!"
Sie sprach super Deutsch, war ihr Exmann doch Deutscher. Ich durfte im Garten sitzen, meine Wäsche raus hängen und wurde mit Tomaten aus dem Garten verwöhnt.
Am nächsten Morgen zog ich früh los und lief durch lichte Wälder in denen noch alte Bunkeranlagen verrotten. Ziemlich bedrückend. Dann ging es über Landstraßen nach Kidange-sur-Canner wo ich mir nicht traue in der Bar nach dem Pilgerstempel zu fragen. Ich gehe weiter und finde meine erste Boulangerie! Da nehme ich mein Herz in die Hand und kaufe ein Croissant allmond und eine gascongne de schokolade. Voila, es geht doch!
In Abancourt vor der Kirche genieße ich meinen Einkauf und komme gestärkt nach St. Hubert! Hier beobachte ich wie kleine Zicklein ganz aufgeregt meckern und rennen und dann erkenne ich, dass sie einen Fuchs jagen. Es ist ziemlich drollig, denn der Fuchs läuft vor dem Zaun davon.
Nun habe ich die Wahl zwischen kürzeren oder längeren Weg. Ich entscheide mich für letzteres,  die Kapelle " Zu unseren lieben Frau von Rabas" anzuschauen. Diese ist natürlich geschlossen! Gegenüber grillen Franzosen und grüßen freundlich. Ich finde meinen Weg und laufe optimistisch in den Wald. Nach ca.4km stimmt nix mehr! Nach der letzten Abzweigung gibt es keine Markierung mehr und statt an einen Forstarbeitetplatz raus zukommen, befinde ich mich auf einer " Straßen-Baustelle"!!?? Zurück und einen neuen Weg suchen! Rien! Also wieder zurück, um Schilder zu finden.Rien de tout! In der Ferne sehe ich ein Haus und dass soll mein Ziel werden. Also laufe ich die Schotterpiste immer gerade aus. Ich bin total aufgewühlt und mir laufen die Tränen einfach runter. Ich kann mich nicht disziplinieren. Umsomehr ich es versuche, desto hysterischer heule ich! Also lasse ich es laufen, es hört ja keiner. Ich komme tatsächlich auf eine Straße und muss entscheiden, ob rechts oder links. Es kommt ein Auto und ich halte es an! Ich fuchtel mit den Armen und frage den jungen Afro- Franzosen: Vigy- par la? S.v.p. Er zeigt links und ich bin so froh, dass mir " Merci Cherie" anstelle von " Merci beaucoup" über die Lippen kommt. Er schaut mich verdutzt an, ich lache und gehe weiter.Nach 29 km erreiche ich mein Quartier und stotter mich durch die Anmeldung. In einer Art Monteursquartier beziehe ich ein Zimmer und ruhe mich aus.
Ich gehe noch eine Runde durch den Ort und als ich zurückkehre, höre ich Musik. Ich schaue in einen Mehrzweckraum und sehe Franzosen tanzen. Volkstänze, aber auch nach französischen Chansons. Ich setze mich vor das Fenster und schaue ein Weile zu.
Am nächsten Morgen stärke ich mich an meinem ersten Frühstücksbuffet in Frankreich. Alles ist reichlich und rustikal! Teller- Fehlanzeige, auf dem Tablett wird geschmiert! Tassen? Die Franzosen trinken aus den Müslischalen. Das geht mir dann doch zu weit und ich frage/ zeige nach Tassen und bekomme auch eine.
 
Kennt jemand einen Pizzaautomaten?
Ich habe ihn hier im Ort gefunden!

Ich gehe los zur nächsten Etappe, die heute nur 20 km ist und in Metz endet. So bleibt Zeit für eine Stadtbesichtigung.
Der Weg dahin führt durch Wald und über Felder. Die Temperaturen steigen auf 35 Grad und an jeder Kirche hole ich frisches Wasser.
Meine erste Anlaufstelle ist der Dom und er ist überwältigend. Die Fenster sind teils sehr alt, teils von Marc Chagall. Ich werde von einem älteren Paar angesprochen, das deutsch kann und sie erzählen, dass sie jedes Jahr im September pilgern.
Ich laufe noch durch die Markthallen, also am Herzen  der französischen Esskultur entlang und genieße die Gerüche und die Anblicke! Ich kaufe 3 verschiedene Pflaumen und lasse sie waschen und dann ist es da, dass Lebensgefühl der Franzosen. Oh wie vermisse ich jetzt Holger, der daran genauso viel Freude hätte wie ich.
Nun ab in die Jugendherberge und frisch gemacht. Dass ist kaum möglich, denn in dieser wirklich sehr einfachen Herberge herrschen gefühlte 45Grad. Also schnell wieder in die Stadt.
Mit dem " Petit Train" bekomme ich eine deutsche Stadtführung und kann meine Füße schonen. Dann will ich noch zum Centre Pompidou- Metz, aber mein rechter Fuss schmerzt heute derart, dass ich mir ein Picknick ( Brot, Schinken, Pflaumen, Wasser) kaufe und mich hinter die " Temple Neuf" setze und mit Blick auf die Mosel und die Seille zu Abend esse.
Ich telefonierte mit Svea als zwei Polizisten direkt auf mich zusteuerten. Ich wurde ziemlich unsicher und überlegte, was ich verbrochen habe, als der bulligere von Beiden mich ansprach und ich verstand, dass der Park jetzt abgeschlossen wird. Zum Glück haben sie nachgeschaut.
Also schlenderte ich durch das abendliche Metz, was ein völlig anderes ist. Herrlich beleuchtete Kirchen, Brücken und Plätze. Überall sitzen Leute auf den Strassen, in Restaurants und es liegt ein Summen von Stimmen  in der Luft. Mir nimmt es ein wenig die Luft, weil ich mich doch in diesem Moment recht einsam fühle. Was würde ich dafür geben mit einem lieben Menschen hier zu sitzen?
Ich lief in mein völlig überhitztes Zimmer zurück und vor dem Fenster war Jugendparty. Wie gut das ich meine Ohrstöpsel habe, so ist wieder eine Nacht gerettet.
Das Frühstück war ähnlich wie gestern und ich habe meine "Müslischüssel"(une boul) unter den Kaffeeautomat gestellt und Cafe aux Lait gedrückt. Oh lecker Kaffee- große Vorfreude- der erste Schluck- Carokaffe! Auch nicht schlecht nur unerwartet. Aber es war eine Jugendherberge! Alles Andere gab es reichlich, entgegen allen Unkenrufen der Reiseführer. Entweder die Franzosen ändern ihr Frühstücksverhalten oder die JH stellen sich auf Touristen ein.
Dann lief ich als erstes nochmal zum, Dom und lauschte den letzten Minuten des Gottesdienstes und hörte die Orgel und ich war zutiefst berührt.
Jetzt fùhlte ich mich behütet und bestärkt.Die Herrenhuter Losung sagte:
" Er gibt den Müden Kraft
und Stärke genug dem Unvermögenden."
So gerüstet laufe ich einen herrlichen Fußweg am Kanal der Moselle entlang und auf den fast 10km begegnen mir jede Menge Jogger aller Altersklassen und Laufstile, allein oder in Gruppen. Sonntags Vormittag joggt der Franzose! Es waren mehr unterwegs, als bei unseren Volksläufen und ich habe kurz überlegt, wieviele jetzt beim Training sind. Alle grüßen freundlich " Bonjour" und so habe ich jede Menge französische Konversation.
Ja jetzt die Schuhe tauschen! Aber vor mir liegen noch 20 km und die wollen auch geschafft werden.

Ja und dann passiert es. In Jouy aux Arches suche ich den Weg und als ich mich entschieden habe und loslaufe, sehe ich ihn! Den Pilger auf der Treppe sitzen! Ich grüße mit Bonjour, sehe den gelben outdoor- Führer und frage: Oder Hallo? Antwort hallo! So lernte ich Joachim, einen Lehrer aus Koblenz kennen. Er hatte gar keine Wahl, wir gingen gemeinsam weiter. Unterwegs verirrten wir uns in einer "Umleitung" und der Regen holte uns ein. Also gingen wir erstmal in eine Bar und bestellten Kaffee. Dabei entdeckte ich, dass sein französisch nicht besser ist als meins, aber zwei ergeben manchmal auch ein Ergebnis. Dann irrten wir weiter im Nieselregen und fragten uns durch. Wir landeten auf der Landstraße. Lieber den direkten Weg, als noch mehr Umwege. So erreichten wir die Auberge, welche aber geschlossen hatte. Es stand eine Telefonnummer dran und ich rief mutig an. Ein AB ging ran!! Also redete ich drauf und es ging fast gut! Wir setzten uns in die Bar auf der anderen Seite und tranken ein Bier und warteten. Ich fragte den Wirt, ob er helfen kann. Nochmal anrufen. Mutig nochmal die Nummer gewählt und es war jemand dran. Mein Verslein aufgesagt, ein Schwall französisch kam und dann brach die Verbindung ab! Naja, jetzt wußten sie, das jemand da war. Kurz danach wurde uns geöffnet und für 50!!!€ erhielten wir ein Zimmer mit HP. Sonntag abend haben wir keine Wahl. Das Zimmer hat schon bessere Tage gesehen und das Bad seine letzte Reinigung vor einiger Zeit. Aber ich habe ein Balkönchen mit ganz vielen Geranien dran und das freut mich. Das Diner besteht aus Pate mit Barguette, marinierten Hühnerfleisch, Kartoffelgratin und Frostgemüse. Wäre es frisches Gemüse gewesen, wäre es perfekt gewesen. Als Dessert gab es Obstsalat oder frommage blanche. Ich entschied mich für Käse und dachte an Brie oder Camenbert, aber es kam eine Schüssel Sahnequark?! Wieder eine Lektion gelernt.

Von der Wirtin erfuhren wir, dass die Auberge auf der nächsten Etappe geschlossen hat, d. h. dass es kein Bett gibt. Nun wurde es spannend. Plan B musste her und der war schnell gefunden. Office de tourisme ansteuern oder auf Zeltplatz bei Landsmännern unterkommen. So gingen wir beruhigt schlafen.
Nach einem reichlichen Frühstück brachen wir früh auf und folgten unserem Pilgerführer, aber er führte uns diesmal in die Irre. Wir kamen auf einem weniger schönen Weg nach Pont-a-Mousson, um festzustellen, dass sich der Umweg nicht gelohnt hat, da die im Buch gepriesene Touristeninfo montags erst 14 Uhr öffnet. Also suchen wir den richtigen Weg zurück und treffen zwei Pilger, die gestern sich auch an der selben Stelle verlaufen haben! Es lag somit wirklich nicht an uns!
Wir finden den Weg nach Jezanville und kaufen in einer Bäckerei pain au chocolade, welche wir in der Bushaltestelle essen, denn es nieselt mal wieder.Der Weg ist wunderschön und abwechslungsreich und wir kommen nach Dieulouard und hoffen auf einen Kaffee! Nichts! Also weiter nach Saizerais, wo wir vor der Kirche pausieren. Der Hunger meldet sich und so greife ich auf meine eiserne Reserve- Knuspermüsli- zurück und gebe frisches Wasser dazu! Einfach aber köstlich. Hinter uns liegen 30 km, vor uns noch 6 km und die bange Frage: Gibt es ein Bett?
Als wir in den Ort laufen, sieht Joachim ein Schild " chambre"! Noch bevor wir diskutieren können klingel ich schon. Das Tor öffnet sich automatisch und als wir das Grundstück betreten, haben wir einen herrlichen Blick auf die Moselschleife und auf einen Swimmingpool. Ich sage nur, dass wird teuer werden. Ein älterer Monsieur und ein verrückter Hund öffnen uns das Haus, welches voller Plastiken und Skulpturen von nackten Frauen ist, was mich ein bisschen Zweifeln lässt, aber ich habe ja männliche Begleitung. Das Zimmer ist im " Louis XlV- Stil und die Bettwäsche hat ein Hundemotiv! Wir fragen nach dem Preis und verhandeln dann erfolgreich auf 50€ für das Zimmer. Wer hätte das gedacht, so ein Geschenk! Ehrlich gesagt, habe ich mich schon in einem heruntergekommenen Wohnwagen für 27€ pro Nase gesehen. Als der Wirt hört, dass wir 36 km gewandert sind, bietet er uns an, uns zum Supermarkt zu fahren, da der 2 km entfernt ist. Wir nehmen dankend an und kaufen uns eine Brotzeit. Pate,Brot, Galliermelone, Tomaten, Käse und eine Flasche Cidre. 
Nach den Plastiken gefragt, erfahren wir, dass er Bildhauer und Schriftsteller war.
Wir essen bei frischem Wind auf der Terrasse und beglückwünschen uns zu diesem Essen, diesem Quartier und diesem Tag.
Wieder ein Zufall des Weges, der uns zu Weggefährten gemacht hat. Wenn ich nur 1/2 Stunde später an dem Ort gewesen wäre.....
Ja dass ist die Dimension der Zeit momentan in meinem Leben.




Mittwoch, 19. August 2015

Viva la France


Nun bin ich soweit und lasse am 20.08. Deutschland hinter mir.Jetzt ist die Herausforderung nicht mehr unbedingt die Höhenmeter, wie an der Mosel, sondern die Sprachbarrieren! Reicht mein 5maliger VHS- Sprachkurs kurz vor dem Start, um telefonisch ein Bett zu reservieren, unterwegs nach Wasser zu fragen und etwas zu Essen zu ordern? Kann ich nach dem Weg fragen und die Antwort richtig deuten?  Reichen die Vokabeln, um wenigstens rudimentär von mir zu erzählen? Trau ich mir überhaupt den Mund aufzumachen? Ich glaube jetzt geht das Abenteuer erst richtig los! Und.... ich freu mich drauf! Auf mein erstes Barguette mit Pate de Grandmere',  den Käse, den Wein und die leckeren Tartes. In einer Herberge habe ich gelesen:" Die aufrichtigste Liebe, ist die Liebe zum Essen." Viva la France!

Davor gab es aber noch 2 Etappen mit Yvonne bis Trier, welche recht anstrengend aber auch hübsch waren, ging es doch regelmäßig durch Weinberge hoch in die Wälder des Hunsrück, um dann wieder abwärts in die Weinberge und zur Mosel zu gelangen. Am Wegesrand gab es Unmengen an reifen Brombeeren und an den Weinbergmauern flitzten kleine Salamander in die Ritzen, wenn unser Schatten sie traf. Am Waldesrand sahen wir einen Fuchs und ab und an ein Eichhörnchen.

Die Pilgerherberge in Klausen war sehr modern ( allerdings fehlte ein Gemeinschaftsraum mit Wasserkocher), aber die Wirtin war so biestig, dass ich sie nicht als Herbergsmutter bezeichnen möchte. Gewöhnungsbedürftig war, dass nachts zwei Deckenleuchten ( für die es keinen auffindbaren Schalter gab) und das Notausganggsschild die ganze Nacht leuchteten, sodass es im Zimmer recht hell war und ich mich fragte, ob wir unter Beobachtung stehen.
In Schweich hatten wir auch ein seltenes Exemplar von Vermieterin. Auf die Frage nach einem Wasserkocher, erfuhr ich, dass ich das im Hotel ab 150€ erwarten kann, aber nicht hier. Das Domozil war noch im schicken 70iger Jahrestil mit grüner Sanitärkeramik. Bei 29€ war es nicht möglich statt Kaffee oder Tee ein Glas Mineralwasser ( das haben sie nur in der Flasche??!!) zu bekommen, aber laues Leitungswasser gabs dann doch!
Also liebe Pilger, mein Tipp, wenn ihr es schafft, dehnt die Etappe bis zum Gasthaus Crames in Biewer aus! Der nette Wirt hat nicht nur einen Pilgerstempel und den größten und leckersten Bienenstich ( s. Foto) am Weg, er bietet Doppelzimmer mit Frühstück, Wasserkocher und Bügeleisen für 53€ das DZ an!

Ja und in Trier erwartet uns noch ein kurioses Erlebnis! Yvonne humpelte tapfer durch ganz Trier um den offiziellen Endpunkt des Moselcaminos zu erreichen, die Abtei St. Matthias. In der Hoffnung dort den letzten Stempel zu erhalten, klingelten, klopften und suchten wir erfolglos- Sonntags 15 Uhr war alles zu: Laden, Pilgerbüro, Pforte!
Doch dann sahen wir einen " Mitbruder" und sprachen ihn an. Er schüttelte den Kopf und sagte:" Sie glauben doch nicht wirklich, dass wir 24 Stunden für Sie da sind?!" Dass nicht, aber Sonntags Nachmittag, wenn es doch ein Pilgerbüro gibt! " Das ist nur für unsere Pilger geöffnet" , war die Antwort! Ja liebe Pilger es gibt auch hier Pilger verschiedener Klassen! Ich versuchte es nochmal, weil ich es schon traurig fand, mit dem Vorschlag eines frei zugänglichen Stempels ( festggepinnt im Briefkasten oder in der Kirche). Er schüttelte den Kopf und ich ließ ihn mit dem Nachsatz " Man könnte ja mal darüber nachdenken" ziehen.

Also liefen wir zurück in die Altstadt, an den Dom und zur Dominfo, wo wir mit freundlichen Worten einen Stempel und eine Adressenliste bekamen und wo es eine Pilgerzimmervermittlung gibt! Also hier wäre ein gutes Ende für den Camino und man spart ca.6 km.
An der Porta Nigra verabschiede ich mich von Yvonne und beziehe mein charmant- morbides Zimmer ( die Wäsche ist mit Monogramm bestickt und es gibt noch nostalgische Kippschalter)
bei den Schwestern von St. Joseph.
Hier plane ich die nächsten Etappen und reserviere vor, um entspannt zu laufen. Ich plane ein paar kürzere Etappen, damit sich meine Achillissehnen etwas erholen können.

Abends lese ich noch im neuen Caminoführer und bin verunsichert. Steht da wirklich die Wege sind kaum markiert und es gibt zu wenig Übernachtungplätze?!! Habe ich das beim Planen unterschätzt? Ich buche gleich die nächsten drei Übernachtungen vor und in Perl besorgt die Wirtin mir das erste französische Bett.
Morgens bin ich unausgeschlafen, weil ich Alpträume hatte. Ich schlief vor einer Kirche und ein Hund weckt mich. Später träumte ich der Weg bricht unter meinen Füßen weg. Mir war zum Heulen und draußen zeigte sich Trier im Regendunst! Schnell an Holger eine Jammer-sms geschrieben. Er tröstet mich und meint das wäre nur der " Blues", ich schaffe das schon! Was würde ich nur ohne meinen Mann machen? 
Also frühstücke ich allein in einem großen, holzgetäfelten Raum und verlasse das Stift um meine Vorräte aufzufüllen.Ich kaufe einen USB- Stick, um meine Bilder zu sichern, falls meinem Fotoapparat irgend etwas zustößt. Ich finde nach langem Suchen einen Laden, wo ich an einen PC kann. Der junge Betreiber spart sich lange Erklärungen und kopiert sie mir gleich auf den Stick und brennt mir eine CD, so dass alles einen " doppelten Boden" hat.
Ich schaue mir noch die Kaiserthermen an, bevor ich mich 12 Uhr auf den Camino mache. Das Schicksal will es, dass ich nochmals an der Abtei St. Matthias vorbei komme. UND?! Es ist nur von 14-17 Uhr jemand da. Das ist also ein Satz mit X, das war wohl nix!
Der Himmel ist grau und es nieselt und manchmal in " Strippen". Der Weg ist direkt der Radweg, also Asphalt und eingeklemmt zwischen Mosel, Straße und Eisenbahn. Nicht wirklich schön, aber dem Wetter angepasst.Dieses Grau stachelt meinen Trotz an und ich fühle mich allem gewachsen was da kommt.
Später lese ich:" Leben ist nicht zu warten, bis der Sturm vorbei ist, sondern zu lernen im Regen zu tanzen!"
Also tanze ich!
In Tanzen erwartet mich eine freundliche Wirtin, Frau Scheid, welche mir eine Kanne heißes Wasser für meinen Tee macht und sich zu mir setzt, als ich die mitgebrachten Teilchen esse. Wir unterhalten uns und das tut gut.
Eine 10 köpfige Pilgergruppe aus Meißen klopft an, sprengt aber die vorhandenen Kapazitäten. Frau Scheid gibt ihnen einen Tipp, wo sie zelten können,
Ich ruhe mich aus und gehe schon 21 Uhr schlafen.
Morgens bin ich völlig erholt und mich erwartet ein tolles Frühstück. O- saft, Kaffee, Käse, leckerer Quittengelee, Quark... alles was das Herz begehrt. Ich darf mir noch Mitnehme- Semmeln schmieren. Dann verlasse ich diesen heimeligen Ort und laufe hoch zum Römertempel, wo die jungen Leute gerade aufstehen. Unterwegs begegnet mir der Kürbismann, den ich euch nicht vorenthalten kann, denn ich habe herzlich gelacht!


Det Weg führt durch lichten Wald und das Grau des Himmels wird langsam heller, um den einen oder anderen Sonnenstrahl durchzulassen. Abwechselnd folgen große Weideflächen und Felder, sodass es einer Almwanderung nicht unähnlich ist. Nur dass dort die Kühe draußen sind und nicht wie am Ortseingang in Fisch im Stall brüllen!
Der Weg geht nun weiter zu der kleinen Rehlinger Kirche, welche einen frei zugänglichen, hübschen Stempel beherbergt.(Es geht!). Davor ist ein nettes " Pilgerdenkmal."


Nun ist es nicht mehr weit bis zu meiner Pilgerherberge in Merzkirchen, die ich im Sturmschritt mittags erreiche, weil der Himmel rabenschwarz wird. Ich darf mir ein Zimmer aussuchen, weil ich die Erste bin. Für heute ist ein halber, fauler Tag angesagt, den ich genieße.

Abends wird die Herberge voll, weil die Meißner Pilgergruppe einzieht. Noch eine Nacht wollen sie nicht draußen verbringen. 2 Jungs werden in mein Zimmer mit einquartiert, damit es passt.
Abends kocht Marry für alle Spagetti Bolognese und so gibt es eine Mahlzeit in großer Runde.
Ich gehe schon 22 Uhr schlafen, denn faulenzen macht müde.
Am nächsten Morgen frühstücke ich, bevor alle aus den Federn kommen und laufe 9 Uhr fröhlichen Herzens in die Morgensonne. Der Weg führt auf der alten Römerstrasse auf einem Kammweg mit wunderbaren Weitblicken über die hügelige, liebliche Landschaft. In der Ferne tauchen am Horizont Kühltürme von einem Kraftwerk auf und meine Gedanken werden davon beeinflusst. Mein grünes Herz schlägt beunruhigt! Diese Nähe zur Zivilisation ist mir nicht geheuer. Ich versuche es auszublenden, aber es gelingt schlecht!
Mir begegnen Rehe, ein Hase und eine Herde Kälbchen, die sich eng in eine Reihe stellen, als hätten sie Angst vor mir. Ich rede ihnen gut zu und dass ist meine einzige Kommunikation auf den nächsten 15km, denn ich begegne keiner Menschenseele. Der Weg führt bis Sehndorf nur durch Natur. Unterwegs übe ich schon mal französische Sätze und merke, dass mir noch Vokabeln fehlen. Also ist heute Abend noch Selbststudium dran.
In Sehndorf gibt es ein hübsches Café mit Terrassenblick in die Weinberge, wo ich einen Latte Macciato schlürfe. Mein heutiges Ziel Perl ist bald erreicht und ich laufe noch bis zur Luxemburgischen Grenze und setze meinen Fuß darüber, um dann noch zur französischen Grenze zu laufen um das Selfi zu schießen.
In Perl habe ich wieder eine plüschige Herberge bei einer lieben Oma.
Zeit zum duschen, ausruhen und Essen gehen. Die letzte Nacht in Deutschland!

Freitag, 14. August 2015

Die 1000 ist voll juhuhu, die 1000 ist voll... (Melodie: Die Wanne ist voll)

Unglaublich, kaum fassbar aber es ist tatsächlich geschafft, heute, am 40. Tag meiner Wanderschaft habe ich die 1000km-Marke geknackt und somit das erste Drittel der geplanten Kilometer geschafft. Der Meilenstein war in Kesten erreicht.
Hallo ihr Rechner, eigentlich müsste ich da schon in Frankreich sein! Ja Umwege, Abwege, Irrwege und Stadtwege lassen sich nicht planen und bei der Gesamtlänge der Tour kommt es ja auf 100 km mehr nicht an!!! Finde ich jedenfalls.

Hier nun der Lagebericht der letzten Etappen. Mainz habe ich nach einem üppigen Frühstück gut gelaunt verlassen. An der Fernbushaltestelle stand Leipzig dran und ich dachte: Oh das ist näher an Görlitz , als ich und plötzlich überkommt mich eine Riesen-Heimweh-Welle! Mir laufen die Tränen einfach so runter und jeder Gedanke an meine Familie daheim tut weh. Verrücktes Huhn, es dauert eine Weile bis es wieder geht. Ich komme an den Mainzer Fernsehstudios in der Rushour vorbei und sehe die Mitarbeiter in ihre Büros fahren und denke kurz darüber nach, ob ich zum Pförtner gehe und frage ob sie eine nicht alltägliche Story wollen. Damit wäre es aber mit der Ruhe vorbei... Also gehe ich vorbei.
In Gonsenheim kam ich am Golfplatz vorbei und dort wird eine neue Eigenheimsiedlung erschlossen. Toller Blick auf das Rheintal für schlappe 520€/qm. Super Schnäppchen! ( An der Mosel gibts das für 55€!)
Mit der Unterkunft in Heidesheim habe ich Glück mit meiner Geschichte und bekomme einen bezahlbaren Preis, sodass es zum Essen gehen noch reicht.
Am nächsten Tag geht es dann in die Weinberge nach Ingelheim.Der Ausblick ist gigantisch und zwischen den Weinbergen gibt es immer wieder Pflaumen- und Mirabellenbäume und Brombeerhecken.Ich laufe abwärts an den Rhein und in den Auen kann ich immer wieder auf das Wasser schauen.So komme ich nach Bingen, wo eine leicht angestaubte Unterkunft mit  "elastischen" Fußboden wartet. Flugs das Waschbecken geputzt, geduscht ( in Schlappen) und alle Kirchen der Stadt nach Stempel und Gottesdienstzeiten abgesucht.
Auf der Burg Klopp finde ich den " Hildegardrundgang" und laufe zur Hildegardiskirche, welche wegen Bauarbeiten geschlossen ist. Am Rhein suche ich ein Lokal zum Essen und dann geht es ins Bett.
Am Sonntag Morgen gehe ich zur evang. Gemeinde zum Gottesdienst und empfinde die Predigt zum " Jerusalem- Sonntag," der recht jungen Pfarrerin als sehr eindringlich und sehr persönlich.Anschließend wandere ich zur Rocchuskapelle und zum Hildegardzentrum, denn dort gibt es den begehrten Stempel.

Mit dem Zug ( ja das darf ich auch einmal) geht es nach Koblenz, wo ich im 8. Stock ein Quartier beziehe. Koblenz  (besser der Bahnhof) liegt mir zu Füßen. Die Stadt ist voller Menschen da " Der Rhein in Flammen" noch nicht ganz vorbei ist. Die Informationssuche bei der Stadtbesichtigung gestaltet sich als äußerst schwierig, weil ich auf das nächstliegende nicht komme! Die Touri- Info hat hier SONNTAGS! bis 18 Uhr geöffnet! Wo gibts das noch in Deutschland? Ich bin begeistert!
Als alles klar ist, kann ich essen gehen und gehe ins " La Mama" ( Svea, was sagst du dazu?). Ich sitze an paralell gestellten Zweiertischen ( Vincenzo die Kommunikation klappt!) und wünsche meiner ebenfalls allein sitzenden Nachbarin "Guten Appetit" und dass ist der Anfang eines wunderbaren Abends in Koblenz. So lerne ich Margot kennen, welche mit mir einen Abendspaziergang durch das "Insider-Koblenz" macht. Margot arbeitet bei der Tourismusinfo und weiss so richtig nette Geschichten zu erzählen. Wir trinken im "Lenegarten" hinterm Schloss ein Sektchen, spendiert von einer Freundin und anschließend in der Stadt noch einen Wein bevor wir uns Adieu und Auf Wiedersehen sagen. Dies ist wieder so eine nette und unerwartete Überraschung des Weges.


Ja und jetzt bin ich mit Elli ( meiner großen Schwester) auf dem Moselcamino! Über den Hunsrück ging es in einer Bergetappe, die es in sich hatte, an die Mosel.
Nun weiß Ellli, dass nicht nur Burgen "geschleift" werden! Aber sie hat sich tapfer geschlagen und am Abend hatten wir schon einige Erlebnisse über die wir lachen konnten. Wir sehen ein jüngeres Geschwisterpaar wieder, dass erheblich länger brauchte für die erste Etappe. Als sie in der Pilgerherberge ankommen, sind wir natürlich frech und lästern nett. Sie nehmen es mit Humor und setzen sich im Restaurant noch zu uns. So haben wir einen lustigen Abend unter Pilgern.
Übrigens an der Mosel gibt es bei 8 Etappen schon 3 Pilgerherbergen! Super! Die erste betreibt ein Ehepaar mit sehr viel Liebe und Herzblut. Ein gemütliches Dachzimmer, eine schöne Dusche und viele Bücher zum Camino vermitteln Willkommen zu sein.
Am Morgen bekommen wir ein familiäres Frühstück und kommen erst 9 Uhr los. Elli hängt heute in den Seilen und kommt nur schwer in die " Pötte", aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. An letzterem finden wir hinter Hatzenport einen "Pilgerschluck" und der verleiht Flügel.
Die Burg Elz erreichen wir auf Umwegen und die Pause da oben ist dringend notwendig. Dann geht es nochmal rauf bevor es runter geht nach Karden, wo Elli uns das 1. Bett verhandelt, denn sie kann nicht mehr. Damit kommen wir ans Limit und suchen ein preiswertes Abendbrot. Wir finden die halbe "Pilgergruppe" von gestern im Lokal! Yvonnes Bruder hat heute aufgegeben und sie alleine weiter ziehen lassen. Wir treffen uns am nächsten Morgen, um gemeinsam zu pilgern.
Zusammen ziehen wir los nach Beilstein und der Weg führt durch herrlich einsame, mystische fast gruslige Wälder voll alter, knorriger Bäume. Sie spenden genug Schatten, um die Hitze zu ertragen. Die Steigungen haben es allerdings in sich. Elli ist schwer am kämpfen und Yvonne hat eine Blase an der Ferse. Zu allem Unglück sticht sie auch noch eine Wespe in den Arm.
Am Kloster Engelport machen wir eine Pause und da werden wir von einem französischen Paar angesprochen. Der Mann ist total begeistert und fotografiert meine Pilgerpässe.
Ziemlich kaputt kommen wir in Beilstein an und stärken uns mit Torte und Weinschorle auf der Terasse des Klosterkaffees. Dort beschließen wir einstimmig den letzten steilen Anstieg und 15 km zu schwänzen und stattdessen mit dem Schiff zwei Stunden gemütlich die Mosel nach Bullay zu schippern. Oh wie schön ist doch die Mosel.
In Bullay beziehen wir ein Dreibettzimmer bei einer ziemlich "grummeligen" Vermieterin und bewegen uns ständig zwischen Anteilnahme und Anpfiff.
Also gehen wie morgens schnell weiter und legen in Zell eine Pause ein, da Yvonnes Arm einer steinzeitlichen Keule gleicht! Sie hat eine fette Infektion, die sie aber nicht vom pilgern abhält.
Jetzt wird es richtig anstrengend, da es gleich fast 3 km steil bergauf geht. Hier haben die Weinberge bis zu 60% !!! Steigung. Am " Brummkopf" ist Elli am Ende ihrer Kräfte. Sie muss noch bis Enkirch durchhalten, aber dann nimmt sie den Bus zur Pilgerherberge.
Yvonne und ich nehmen die letzte Steigung auf die " Starkenburg", bevor es abwärts nach Trabach geht.
In der Herberge kommen wir fix und foxi an. 1000 Höhenmeter rauf und 1100 runter auf 25 km und bei 33Grad. Wir duschen und Elli holt uns lecker Abendessen aus dem Ort, damit wir nicht mehr laufen müssen. Dazu trinken wir Pilgerwein und feiern Abschied, denn Elli fährt nach Hause.
Ich ziehe mit Yvonne, nach einem sehr familiären und leckeren Frühstück in der Pilgerherberge weiter nach Bernkastel-Kues, wo wie schon sehr zeitig sind.
Unterwegs erhalten wir zufällig eine private Führung an einer alten römischen Weinpresse uns eine kurze Einführung in den Moselweinbau.
In Monzel steht heute unser Bett, was wir aber schon 14 Uhr erreichen. Also abgesagt und in der Pilgerherberge in Klausen angemeldet, denn hier kostet das Bett nur die Hälfte. Den steilen Anstieg und die 9 km sind gut zu schaffen und so sind wir schon am frühen Abend da.


PS: Wisst ihr, was wirklich cool ist? Dieser Blog zieht immer größerer Kreise. Meine "Fangemeinde" vermehrt sich und ich habe noch viele Glückwünsche von mir völlig unbekannten Menschen erhalten. UND ich kann Menschen fürs Pilgern begeistern! Das finde ich richtig fetzig.
Unterhalb der Burg Elz trafen wir auf eine Radlergruppe und wurden gefragt,ob wir pilgern. Als wir bejahten, erfuhren wir, dass einer von ihnen von Rom nach Santigo gepilgert ist und er Deutschland wunderschön findet. Ich frage woher sie sind. Aus Brasilien mit einer deutschen Urgroßmutter! Deshalb so ein perfektes deutsch! Nun wird der Blog auch in Brasilien gelesen. Das ist doch schon ziemlich global!
Wer mich kennt, weiß, dass ich ein "Statistiker und Planer" bin. Es wäre doch interessant zu wissen, wer dazu kommt! Also liebe Leser- Mut zum Kommentar!


Donnerstag, 6. August 2015

Geburtstagsnachlese



Ja Mainz ist immer für eine Überraschung gut oder besser gesagt Sves ist immer für eine Überraschung gut!
Klopft es doch gestern Abend an meine Zimmertür und ein Hotelangestellter steht vor der Tür und überreicht mir einen Brief. Ich staune und nehme ihn verunsichert an! Wer weiß dass ich hier bin? Svea gratuliert mir zum Geburtstag und hat sich ein wunderbar praktisches, mitfühlendes und entspannenden Geschenk ausgesucht. Ich bekomme eine Thaimassage in unmittelbarer Hotelnähe! Das ist ein so unschätzbar tolles Geschenk! Meine Süße hat mitgelitten, wenn sie meine Berichte hörte.
Also ging ich nach einem üppigen Frühstück im Hotel in eben jenes Massagestudio und war gespannt, was mich erwartet. Räucherstäbchen, thailändische Musik, eine "Buddelhose" und T- Shirt in rot und eine Masseurin, welche ganzen Körpereinsatz leistete, um meinen verspannten Rücken zu lockern. Oh tat das gut, wenn ich den Schmerz ausblendete! Da alles ziemlich fest war, bekam ich noch heiße Kampfertücher " eingearbeitet". Angenehm, der Geruch erinnerte mich sofort an meine Pferdesalbe.
Danach gab es noch eine Fuß Massage, wo jeder Druckpunkt gelockert wurde. Dazu gab es grünen Tee und Ingwerplätzchen, sodass ich völlig entspannt zuschaute.
Ja und als ich nach einer Stunde entlassen wurde, waren meine Füße so leicht, dass ich schwebte.
Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich ein Tattoo- und Piercingstudio und war froh, dass Svea nicht auf DIE IDEE verfallen ist.

Also auf zum Stadtbummel. Zuerst erledigte ich die notwendigen Besorgungen für den weiteren Weg.
Dann lief ich zur Stephanskirche und schaute mir die wunderbar, leuchtenden, blauen Marc- Chagall-Kirchenfenster an, welche die Kirche in ein herrliches, diffuses Licht tauchten. Ich hatte das große Glück, dass einer Reisegruppe die Bilder erklärt wurden und Kirchen eine herrliche Akustik haben. So erfuhr ich u.a., dass Chagall seine Kinderlosigkeit mit seiner damaligen Frau in ein Bild mit eingearbeitet hat. Ich ließ den Raum eine Weile auf mich wirken und schaute mir dann noch den herrlichen Kreuzgang an.
Nun nahm ich den Weg quer durch die Stadt, um mir die Christuskirche und die Synagoge anzuschauen. Beides beeindruckende Bauwerke.
Die Neue Synagoge hat eine herrliche Architektur, die viel Raum für Assoziationen lässt. Manuel Herz hat sich wohl von den Laubhütten inspirieren lassen. Mich faszinierten vor allen die Lichteffekte der glasierten "Bausteine".
Genug der Kirchen und auf an den Mainzer Hafen zur Kunsthalle. Leider habe ich die Öffnungszeiten nicht erfragt und so kommt es, wie es kommen muss! Ich bin 17.30Uhr da und 18 Uhr wird geschlossen. "Ein nur kurz Hereinschauen- Rabatt" wurde abgelehnt und für den vollen Preis war ich zu geizig. Dann eben nicht!
Ich schlendere am Rhein zurück und ziehe mich ins Hotel zurück.
Morgen soll es weiter gehen und ich will früh los, denn es wird wieder "ungewöhnlich" heiß für einen Sommer! B-)